Dienstag, 7. Februar 2012

Weihnachtspullover

Als Cyber-Schreiberling fragt man sich ja doch manchmal, welchen Eindruck von sich man der weiten Onlinewelt vermittelt. Und ich habe in letzter Zeit die Befürchtung, dass ich dem geneigten Leser den Eindruck vermittele, dass alle meine größeren Strickprojekte eine halbe Ewigkeit und mindestens 27 Anläufe brauchen, bis sie endlich fertig sind.

Dass dies mitnichten immer der Realität entspricht, möchte ich an einem aktuellen Beispiel darstellen.

Nachdem der erste Pulli, den ich meinem Prinzen gestrickt hatte, durch unsachgemäßes Waschen um zwei Kleidergrößen geschrumpft ist (ich war's nicht, und die verantwortliche Person bekommt auch nicht Wolliges mehr in die Hände), habe ich mich im letzten Sommer großzügig angeboten, ihn als Weihnachtsgeschenk durch einen neuen Pulli nach Wunsch zu ersetzen. Das Angebot wurde auch angenommen und ein neuer Pulli ausgesucht, wobei mal wieder deutlich wurde, dass wir trotz aller Gemeinsamkeiten doch unterschiedliche Menschen sind. Nachdem ich nämlich aus meiner teilweise digitalisierten Strickmustersammlung etwa zweihundert Modelle in eine wunderbar benutzerfreundliche Präsentation zusammengestellt hatte (Zeitschriftenblättern wäre eine eindeutige Zumutung gewesen) lief das Ganze etwa so ab:

Ich: Bitte sehr. Nimm dir ruhig Zeit. Und denk dran, man kann alles variieren und anpassen.

Mein Prinz: *blätter, blätter* *auf Seite 4 zeig* Den da.

Ich: Ja, der ist schön. Aber schau dir doch die anderen auch noch an.

Mein Prinz: *Augen roll* *blätterblätterblätter bis Seite 196* *zurückblätter* *auf Seite 4 zeig* Den da.

Ich: Bist du sicher? Man kann bei jedem Pulli auch andere Farben nehmen, oder ein anderes Muster, oder -

Mein Prinz: *auf Seite 4 zeig* Den da.

Ich: Na gut. Okay. Welche Farben hättest du denn gerne?

Mein Prinz: *auf Seite 4 zeig* Die da.

Ich: Ja, natürlich. Aber hättest du den Kragen gerne irgendwie anders, vielleicht -

Mein Prinz: *auf Seite 4 zeig* Den da.

Ich: *seufz*

Also wurde der Pullover im September angeschlagen, wie üblich im November sträflich vernachlässigt und nach zwei Wochen Extremstricken und -zusammennähen pünktlich am 23.12. um 18:00 Uhr fertig.

Und hier ist er:


(Lang Yarns Merino 120, Farben silber u. anthrazit)

Mit der Passform bin ich nicht ganz glücklich, was allerdings meine eigene Schuld ist - wenn man mit 4mm Nadeln eine Maschenprobe strickt, anhand dieser den ganzen Pulli durchrechnet und akribisch auf die Masche genau nachstrickt, sollte man annehmen, dass man auch genau auf die Maße kommt, die man angepeilt hat. Es sei denn, man ist zu faul, vor dem Anschlagen das Nadelmaß zu suchen und erwischt statt der 4mm die 4,5mm Nadeln, wie das ja manchmal vorkommen soll. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn das Ergebnis eine völlige Überraschung wird, die sich auch durch aggressives in Form spannen nicht ganz zähmen lässt. (Warum allerdings durch die dickeren Nadeln der Pulli zwar breiter, aber auch kürzer wurde, gehört für mich zu den Mysterien der Maschenkunst...)

Aber mein Prinz ist mit der Länge einigermaßen zufrieden, also wird sich zeigen, ob mein Perfektionismus es schafft, mich dazu zu bringen, in der Mitte noch ein Stück reinzusetzen. Das Prinzip ist mir klar, der Aufwand leider auch...


Und zum Abschluss noch ein Profitipp für Perfektionisten und Zwangsneurotiker:
Beim Jaquard-Stricken strickt man ja mit zwei Fäden gleichzeitig. Wenn die Mustersätze etwas weiter auseinander liegen, kann es da schon schwierig werden, die Fadenspannung richtig hinzukriegen - entweder zieht sich alles zusammen, oder die Maschen in einer Farbe sind viel zu groß und zu locker (da hilft auch regelmäßiges Einweben nur bedingt).

Mein Tipp: die Mustermaschen bewusst zu locker stricken:


(was man hier deutlich nicht sieht: die hellgrauen Maschen sind viel größer und lockerer als die dunklen)

Dann nach dem ersten Waschen, aber solange der Pulli noch feucht ist, in Form ziehen und mit einer stumpfen Nadel oder dünnen Stricknadel Masche für Masche den Musterfaden nachziehen und dadurch die Maschen auf die richtige Größe und Fadenspannung bringen. Ist eine ziemliche Fitzelarbeit, aber welchen Unterschied es macht, sieht man hier:


(was man deutlich nicht sieht: die hellgrauen Maschen fügen sich perfekt ins Maschenbild ein)

An dem Garngewurschtel sieht man, wie viel "überflüssiges" Garn ich aus nur drei Reihen rausgeholt habe, obwohl ich vom Gefühl her die Maschen gar nicht sooo locker gestrickt hatte.

Wenn man das Strickstück dann in Form gespannt trocknen lässt, fügt sich das Garn perfekt ein und macht den kleinen, feinen Unterschied zwischen "gewollt und nicht gekonnt" und "perfekt - genau wie es sein soll".

Zumindest für mich - der rest der Welt hätte wohl keinen Unterschied gemerkt...

2 Kommentare:

Shelties from Manor at Mountain hat gesagt…

Ich bin weder ein Strick- noch ein Blogfan und nur zufällig hier gelandet. Aber vom Artikel war ich so fasziniert, dass ich nicht mehr zu lesen aufhören konnte. Danke für ein paar kräftige Lacher!

Steffie-Cel hat gesagt…

Hallo,
ein toller Blog!
LG
Steffi
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