Mittwoch, 30. Juli 2008

Über Wahrnehmung und Einbildung / On Perception and Imagination

Vorab: in diesem Post wird es keine Bilder geben. Ich werde zwar rumspinnen, aber nur auf geistiger Ebene. Wenn du also wegen der Bilder hier bist, musst du ein andermal wiederkommen :-)

A note in advance: This post will not have any pictures. There will be wooliness, but only of the mental kind. So if you’re here for the pictures, you’ll have to come back another time :-)

Anlass der heutigen Spinnereien ist die Tatsache, dass am Wochenende mal wieder ein Soullight-Training stattgefunden hat – eine Serie von Workshops, die sich mit energetischer Arbeit, Medialität und ähnlichem beschäftigt. Und nachdem ich dieses Mal endlich einige handfeste Erfolgserlebnisse hatte, stellt sich mir nun die Frage: Einbildung oder Wahrnehmung?

The occasion for today’s ruminations is the fact that last weekend another Soullight-Training took place – one in a series of workshops dealing with energy work, psychic skills and the like. And after finally experiencing some tangible success, I now have to face the question: Imagination or perception?

Reden wir erstmal über Einbildung. Einbildung (im Sinne von sich etwas einbilden, nicht eingebildet sein) wird ja allgemein eher negativ betrachtet. „Das bildest du dir doch bloß ein,“ heißt es, oder sarkastisch „Einbildung ist auch 'ne Bildung“. Und sicher, wenn man vor lauter Einbildung den Realitätsbezug verliert, kann Einbildung gefährlich für einen selbst und auch für andere werden. Aber andererseits macht die Einbildung uns das Leben auch angenehmer und interessanter – man muss nur ein gutes Buch aufschlagen, und schon bildet man sich für eine Weile ein, man wäre ganz woanders ... Und schließlich ist die Einbildung auch unvermeidbar und sogar lebensnotwendig. Dem geneigten Leser mögen sich bei dieser Aussage erstmal die Fußnägel kringeln, aber ich werde sie später noch weiter erläutern.

Let’s first talk about imagination. Imagination is generally viewed in a negative light. „That’s only in your imagination,“ we say, and „Stop imagining things!“ And sure, if with all the imagining you lose contact with reality, imagination can be dangerous for oneself as well as others. But on the other hand, imagination does make life more pleasant and more interesting – you only have to open a good book and for a while you imagine being somewhere else ... And finally imagination is inevitable and even vital to our functioning in daily life. Now this statement may make your toe-nails curl, but I intend to explain it later.

Kommen wir jedoch zur Wahrnehmung. Was ist Wahrnehmung überhaupt? So, wie wir uns das üblicherweise vorstellen (und einbilden ...) ist die Wahrnehmung der Prozess, über den unsere Sinnesorgane uns darüber informieren, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Diese Vorstellung ist ansprechend, beruhigend und falsch. Wie falsch sie ist, kann man allein schon am Prozess des Sehens festmachen: Statt dass jede Sehzelle im Auge getreulich weitergibt, was sie wahrnimmt, konkurrieren die Sinneszellen untereinander, verstärken und unterdrücken sich gegenseitig, bis schließlich ein Konsens gefunden ist, der dann an das Gehirn übermittelt wird. Und im Gehirn fängt der Spaß erst richtig an: Hier wird die Information der Sinnesorgane hin und her geleitet, gesiebt, moduliert, assoziiert, interpretiert und schließlich in Qualia verwandelt, sodass am Ende so etwas wie die Farbe rot herauskommt. In der Wirklichkeit gibt es kein Rot. Es gibt elektromagnetische Wellen mit unterschiedlicher Wellenlänge, aber rot? Nur in unserem Gehirn.

Now let’s deal with perception. What is perception? The way we usually imagine (!), perception is the process by which our sense organs inform us about the nature of reality. This notion is appealing, reassuring and wrong. Just how wrong it is can easily be discovered in the process of seeing alone: Instead of every photoreceptor faithfully passing on its perception to the brain, the cells compete, enhancing and suppressing each other's signals until finally a sort of consensus is transmitted to the brain. And that’s where the real fun starts. Here the information from the sense organs is routed this way and that, screened, sifted, modulated, associated, interpreted and finally turned into qualia, so that in the end there is something like the colour red. There is no red in reality. There are electromagnetic waves of different frequencies, but red? Only in our brain.

Was ist also das Resultat des Wahrnehmungsprozesses? Nicht die Wirklichkeit selbst, sondern ein Modell. Und wie jeder Wissenschaftler weiß, entspricht ein Modell niemals der Wirklichkeit, sondern ist immer nur eine Abbildung. Und diese Abbildung hat einen Zweck: Durch die Vereinfachung der Wirklichkeit, durch die Reduzierung der Komplexität auf wenige relevante Faktoren, erlaubt uns das Modell, ein gewisses Verständnis der Wirklichkeit zu bekommen, es gibt uns eine Arbeitsgrundlage für unser Denken. Doch jeder gute Wissenschaftler weiß auch, dass sein Modell eben nicht mit der Wirklichkeit identisch ist und niemals mit dieser verwechselt werden sollte.

So what is the result of the process of perception? Not reality itself, but a model. And as every scientist knows, no model is ever equivalent to reality, but is merely a reflection, an image. And this image has a purpose: by simplifying reality, by reducing the complexity to a few relevant factors, the model lets us gain some understanding of reality, it provides a working base for our thinking. And yet every good scientist also knows that his model is not identical to reality and should not be mistaken for it.

Das gleiche gilt für das Modell in unserem Kopf. Es entspricht nicht der Wirklichkeit. Aber es gibt uns die Möglichkeit, den einen oder anderen Aspekt der Wirklichkeit zu verstehen und folgerichtig zu handeln. Würden wir die Wirklichkeit in allen Details und ihrer gesamten Komplexität wahrnehmen, wären wir entscheidungs- und handlungsunfähig. Darum behaupte ich: Unsere Einbildung – sowohl davon, wie die Wirklichkeit beschaffen ist, als auch davon, dass dieses Modell tatsächlich der Wirklichkeit entspricht – ist unvermeidlich und lebensnotwendig.

The same is true for the model in our head. It is not equivalent to reality. But it provides the possibility of understanding one or another aspect of reality and to act accordingly. If we percieved reality in all of its detailed complexity, we’d be incapable of deciding or doing anything. That’s why I claim: Our imagining – both what reality is like and that this model acually is reality – is inevitable and vital to our functioning.

Aber bleibt uns denn etwas anderes übrig? Soweit ich das sehe, haben wir keine andere Wahl, als unserer Wahrnehmungseinbildung zu vertrauen. Natürlich sollten wir sie immer wieder hinterfragen, und wenn wir konsistente Antworten bekommen, gehen wir davon aus, dass sie zumindest recht nah an der Wirklichkeit ist (oder dass unsere Einbildung auch auf Details achtet ...) Sie ist schließlich das beste Werkzeug zum Abbilden der Wirklichkeit, das wir haben. Und sie scheint sich ja in der Evolutionsgeschichte bewährt zu haben, sonst wären wir nicht hier.

And anyway, do we have an alternative? As far as I can see, our only choice is to trust in our perception-imagination. Of course we should question it time and again, and if the answers are consistend, we assume that it is at least close to reality (or that our imagination has an eye for details, too ...) After all, it is the best tool for reflecting reality that we have. And it seems to have stood the test of time, evolutionarily speaking, otherwise we wouldn’t be here.

Und damit komme ich endlich zum Punkt. Denn im Lauf der bisher vier Soullight Trainingswochenenden habe ich Erfahrungen gemacht, die sich mir als Wahrnehmungen präsentiert haben, die mein naturwissenschaftlich geschulter Verstand jedoch nur als Einbildung interpretieren konnte. Und damit stellt sich mir die Frage: Wo ist die Grenze zwischen Wahrnehmung und Einbildung? Kann man sie überhaupt unterscheiden?

And with that I finally reach the point I’m trying to make. For in the course of the as yet four Soullight-Training weekends I have experienced things that have presented themselves as perception, but that my scientifically educated mind can only interpret as imagination. So I have to ask myself the question: Where do I draw the line between perception and imagination? Is it even possible?

Meiner Meinung nach gibt es in diesem Fall keine objektive Perspektive, sondern nur eine subjektive, nämlich die des Wahrnehmenden. Und aus meiner subjektiven Perspektive heraus entscheide ich mich dafür, meine Erfahrungen als Wahrnehmung und nicht als Einbildung anzunehmen. Ich vertraue meiner Wahrnehmung, meiner (langsam erwachenden) Medialität und Intuition. Was habe ich schon zu verlieren? Vielleicht den Respekt einiger Leute, die mich jetzt für völlig durchgeknallt halten. Aber an der Meinung dieser Leute liegt mir sowieso nicht allzu viel. Dafür habe ich umso mehr zu gewinnen, wenn meine Wahrnehmung tatsächlich eine Abbildung der Wirklichkeit ist. Nicht nur ein vollständigeres Verständnis für andere Menschen, was ja auch Grundvoraussetzung für meine Zukunft als Heilpraktikerin ist. Sondern auch (man verzeihe mir den hochtrabenden Ausdruck) eine tiefere Einsicht in die Natur des Seins - und damit die Chance, seelisch und spirituell zu wachsen. Denn dazu sind wir ja auf dieser Welt. Bilde ich mir zumindest ein.

To my mind, there is no objective point of view in this case, only a subjective one: that of the perciever. And from my subjective point of view I decide to accept my experiences as perception, not imagination. I trust in my perception, my (slowly awakening) psychic abilities and intuition. What do I have to lose? Perhaps the respect of some people who will now think I’ve finally gone off the deep end. But to be honest, the opinion of these people doesn’t really mean that much to me. And I have so much to gain, if my perception truly is an image of reality. Not only a better understanding of other people, which is basic prerequisites for my future as an alternative practitioner. But also (please forgive the grandiose expression) a deeper insight into the nature of existence – and with that the chance for psychic and spiritual growth. And after all, that’s what we’re here for. Or so I imagine.

Fazit: Von nun an vertraue ich meiner Wahrnehmung, sei sie nun visuell, akustisch, intuitiv oder medial. Ich nehme sie an und schätze sie und denke aber auch daran, sie hin und wieder kritisch zu hinterfragen, damit sich nicht allzu viel Einbildung in die Wahrnehmung schleicht. Ich lasse mich auf das Abenteuer Medialität ein und bin gespannt, wo es mich hinführt.

In conclusion: From now on I will trust in my perception, be it visual, auditive, intuitive or psychic. I accept and appreciate it, but will also remember to critically scrutinise it every now and then to keep the perception as imagination-free as possible. I embrace the adventure of being psychic and am eager to see where it will take me.

PS: Mir ist klar, dass die obige Argumentation Löcher hat, die so groß sind, dass man ganze Schafherden durchtreiben könnte. Aber um die auch noch zu füllen, müsste ich ein Buch schreiben. Wer darüber diskutieren möchte, ist herzlich willkommen :-)

PS: I’m aware that the above argument has holes big enough to drive a flock of sheep through. But to fill those, too, I’d have to write a whole book. If you’d like to discuss the subject, feel free :-)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Lenny,

gerade diesen Eintrag gelesen. Sehr transparent, was Du damit sagen willst. Vielleicht solltest Du bei Gelegenheit mal Malcolm Gladwells fesselndes Buch "Blink!" zum Thema Intuition (eigentlich rapid cognition) lesen. Am besten im amerikanischen original. Könnte ein weiterer, durchaus wissenschaftlich fundierter Baustein zu dem Mosaik sein, das Du gerade legst ;-)

Mehr dazu hier:

http://www.gladwell.com/blink/

Liebe Grüße aus dem Bambuswald (Roland)