In meinem vorletzten Post habe ich folgendes angekündigt:
Demnächst an dieser Stelle: Das Ende einer Beziehung, die leidenschaftlich begann und doch zu lange dauerte. Stay tuned :-)
Es sollte ein ironischer Abschiedsbrief an einen Strickpullover werden, den ich angefangen und nach einer Weile aufgegeben habe. Aus verschiedenen Gründen habe ich den Post immer wieder vor mir her geschoben.
Und heute?
Heute ist er auch nicht dran. Statt dessen ein Thema, für das die Ankündigung auch irgendwo passt. Zumindest bis auf den Smilie. Denn aus diesem:
Wurde dieses.
Unser Aquarium, das ich geliebt, gehegt und gepflegt habe, ist Vergangenheit. Eine bewegte Vergangenheit, in der Freude und Trauer oft nah beieinander lagen, denn ein empfindliches Ökosystem verzeiht sogut wie keine Fehler. Und von denen habe ich genug gemacht.
Dreieinhalb Jahre lang habe ich Fehler gemacht, gelernt, verbessert, mich gekümmert und gesorgt, geschwankt zwischen Begeisterung, wenn ich das Gefühl hatte, es endlich im Griff zu haben, und Frustration und Selbstvorwürfen, wenn der nächste Rückschlag kam. Stellte mir mehr als einmal die Frage, ob ich diesem Prozess auf Dauer gewachsen bin oder ob es nicht besser wäre, alles aufzulösen und abzugeben. Und habe es doch nie übers Herz gebracht, mich zu trennen von Anemonen, von Korallen, von Krebsen und vor allem von meiner schuppigen, flossigen Familie, die seit drei Jahren einen festen Platz in meinem Leben und in meinem Herzen hat. Mit Namen und Persönlichkeiten, wie ich sie "nur" Fischen vorher nicht zugetraut hätte.
Leben und sterben, wachsen und vergehen.
Diese Woche wurde mir die Entscheidung abgenommen.
Dienstag Morgen verabschiedete sich die große Förderpumpe, die das Wasser vom Technikbecken (wo es gereinigt und aufbereitet wird) in das Hauptbecken pumpt und für einen Großteil der Strömung sorgt, die in einem Meerwasserbecken lebensnotwendig ist. Das Herzstück der Tecknik sozusagen.
Um die Tage zu überbrücken, bis ich ein neues Herz einsetzen konnte, habe ich alle Lebenserhaltungsmaßnahmen durchgeführt, die mir eingefallen sind (Danke an dieser Stelle an Christian Wecht vom MeWaStore für die freundliche und tatkräftige Unterstützung).
Mittwoch sah es noch gut aus.
Donnerstag nicht mehr.
Das war der Tag, an dem ich aufgestanden bin und die Hälfte meiner Familie war tot. Lag im Halbdunkel auf dem Boden des Aquariums, fast so, als würden sie schlafen.
Fische haben keine Augenlider. Sie sehen uns auch noch an, wenn sie nichts mehr sehen.
Damit begann der Abschied. Die Überlebenden wurden in das noch bewohnbare Technikbecken umgesiedelt, in der Hoffnung, sie möglichst schnell in einem neuen liebevollen Zuhause unterzubringen. Um sicher zu gehen, dass auch alle versorgt waren, mussten die Steine ausgeräumt werden. Dabei gab es ein oder zwei schöne Überraschungen - und noch viel mehr traurige.
Auf meinen Hilferuf im Riffaquaristikforum meldete sich dann schon nach ein paar Stunden ein Retter, um unsere Freunde zu adoptieren. Da habe ich zum ersten Mal an diesem Tag nicht vor Schmerz geweint, sondern vor Erleichterung.
Alles andere war dann beinah zweitrangig. Was zählte, war Steine raushieven und verpacken, um an die letzten Widerstandskämpfer zu kommen, die zum Glück gesund und munter, aber auch ziemlich schnell und dem Fangnetz extrem abgeneigt waren. Immer wieder im Technikbecken nachsehen, wie es den vier anderen geht, von denen zwei am Morgen noch sehr mitgenommen wirkten, sich aber mit der Zeit sichtbar erholten. Immer mit der Angst vor einem neuen Schock, einem neuen Verlust so kurz vor dem Ende.
Doch es kam so, wie wir gehofft hatten: Die Retter waren da, unsere überlebenden und inzwischen allesamt munteren und aktiven Freunde wurden eingepackt, um die Reise in ein neues Leben anzutreten. Wir haben ihnen hinterhergewunken, und statt Abschiedsschmerz war in mir nur Dankbarkeit, dass wenigstens sie es geschafft haben.
Und dann Strom aus. Die Lichter dunkel. Die Pumpen still. Ein lebendes System wurde zu einem Haufen Kunststoff, Metall und Wasser.
Vorbei. Endgültig.
Natürlich ist das noch nicht das Ende des Abschieds. Ein Teil unseres Lebens ist verschwunden und hinterlässt eine Lücke, die immer wieder schmerzhaft spürbar ist. Wenn ich gegen Abend auf die Uhr sehe und mich frage, ob schon Zeit ist, Fischfutter aufzutauen. Wenn ich nach Hause komme und mich wundere, warum aus dem Fenster kein blaues Licht scheint. Wenn ich in den Keller gehe und inne halte, weil es so seltsam ruhig ist. Und es gibt auch noch genug Arbeit zu erledigen - die ganze Anlage muss trockengelegt, abmontiert, entsorgt oder verkauft werden.
Aber der schlimmste Teil ist vorbei. Wir können anfangen zu heilen.
Und so bleibt mir nur noch zu sagen:
Rest in Peace,
Norbert
Putzi
Sam
Fred
Nobby
Philippe
Percy
Marylin
Fred & George
Chromi-Trio
Möge es den ganzen Tag Futter vom Himmel regnen, wo immer ihr jetzt auch seid.
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2 Kommentare:
Hallo liebe Lenny,
mein herzliches Beileid :(
Es war wirklich immer toll anzugucken.
Ich hoffe du wirst diesen Verlust schnell überwinden.
Liebe Grüße
Kai
Traurige Geschichte, Lenny. So ist es eben, wenn ein Ökosystem vollständig von der Technik abhängt. Hoffen wir mal, so etwas nie im "großen Stil" erleben zu müssen...
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